Sportgipfel Tirol: breiter Konsens für Interessenausgleich beim Skitourengehen

Tourengehen boomt und sorgt auf sowie abseits der Piste für Spannungsfelder, die es zu lösen gilt. Die neue Studie zum Pistentourengehen, die von der Lebensraum Tirol Holding im Rahmen ihrer Initiative „Sports Research Lab Tirol“ beauftragt und beim Sportgipfel Tirol - St. Anton am Arlberg präsentiert wurde, liefert erstmals umfassende Daten von der quantitativen Entwicklung über das Nutzungsverhalten bis hin zur Zahlungsbereitschaft der SportlerInnen. Zudem zeigt das laufend weiterentwickelte Programm „Bergwelt Tirol - Miteinander erleben“ bereits seit geraumer Zeit auf, wie alpine Sportarten im guten Miteinander und unter Schonung der Natur ausgeübt werden können und wie Interessenausgleiche gelingen. Der Schlüssel zum Erfolg des Programms ist die enge und konstruktive Zusammenarbeit des Landes Tirol, der Tirol Werbung, des Österreichischen Alpenvereins, der Landwirtschaftskammer, des Tiroler Jägerverbands, der Bergrettung Tirol und der Wirtschaftskammer Tirol, insbesondere der Seilbahnwirtschaft. Heurige Neuheit: Schutzzonen für Wald und Wild sind ab sofort auch online und in Tourenplanungs-Apps ersichtlich.

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Für LH-Stv. und Sportlandesrat Josef Geisler spielt der alpine Sport in Tirol eine zentrale Rolle: „Bewegung in der Natur liegt im Trend und der alpine Sport hat für Tirolerinnen und Tiroler, aber auch für unsere Gäste in den vergangenen Jahren noch mehr an Bedeutung gewonnen. Die erhöhte Frequenz am Berg kann zu Konflikten führen. Die Notwendigkeit, Besucherströme auch in der Natur zu lenken, hat das Land Tirol frühzeitig erkannt. Wir haben hier – wie St. Anton für den alpinen Skilauf – absolute Pionierarbeit geleistet. Das Sportland Tirol nimmt eine Vorreiterrolle ein, wenn es um die Weiterentwicklung von alpinen Freizeit- und Trainingsangeboten sowie ein konfliktfreies und sicheres Miteinander am Berg geht.“

 

Studie zum Pistentourengehen

„Die Basis für gute Entscheidungen stellen umfassende Daten dar. Das gilt insbesondere für dynamische Entwicklungen wie jene im Skitourengehen“, so Josef Margreiter, Geschäftsführer der Lebensraum Tirol Holding. „Deshalb hat das 2019 von der Holding initiierte ,Sports Research Lab Tirol‘ erstmals auch eine Studie zum Pistentourengehen durchgeführt. Die Untersuchung liefert aussagekräftige Daten zum Nutzungsverhalten inklusive der Zahlungsbereitschaft der SportlerInnen und eröffnet so Perspektiven für eine für alle Beteiligten vorteilhafte Professionalisierung des Angebots. Die grundsätzliche Toleranz unserer SkigebietsbetreiberInnen und die wachsende Zahl von Skigebieten mit Pistentourenangeboten ist besonders erfreulich.“, erklärt Margreiter.

 

Studienleiter Martin Schnitzer von der Universität Innsbruck führt im Detail aus: „Die aktuelle Studie belegt: Pistentourengehen boomt. 51 % der Befragten haben diese Sportart in den vergangen fünf Jahren für sich entdeckt. Dabei stehen vor allem sportliche Motive im Vordergrund. Jeder Achte ist beim Pistentourengehen aber bereits in einen Konflikt verwickelt gewesen. Hier kommt es vermehrt zu verbalen Auseinandersetzungen über die Nichteinhaltung von Pistensperrungen.“ Wirkungsvolle Maßnahmen könnten laut Studie eine Kombination aus Sensibilisierung für die Regeln und Leitsysteme sein. In den westlichen Bundesländern zeigen sich PistentourengeherInnen im Allgemeinen mit dem Angebot zufrieden. Gerade die Akzeptanz der SkigebietsbetreiberInnen ist den PistentourengeherInnen besonders wichtig. PistentourengeherInnen glauben großteils, dass SkifahrerInnen und SnowboarderInnen mehr Rechte auf der Piste haben. Fast 30 % der Befragten wären bereit, neben einer Parkplatzgebühr auch für die Pistennutzung zu zahlen. Für eine kombinierte Parkplatz- und Pistennutzungsgebühr sind Preise in der Höhe zwischen 5 und 10 Euro vorstellbar; in einem Online Experiment mit weiteren Zusatzleistungen (z.B. Skiservice) konnten wir eine Zahlungsbereitschaft der Befragten bis zu 150 Euro pro Saison feststellen“, so Schnitzer. 

 

„Bergwelt Tirol – Miteinander erleben“

Das Programm „Bergwelt Tirol – Miteinander erleben“ zeigt im Auftrag der Tiroler Landesregierung bereits seit 2014 Lösungen auf, wie alpine Sportarten im Einklang mit der Natur ausgeübt werden können und wie es gelingt, einen Ausgleich der verschiedenen Interessen zu erreichen. Ziel des Programms ist es, Angebote für Natursportarten zu schaffen. Angefangen hat man mit dem Aufbau eines Mountainbike-Wegenetzes. Mit dem Aufkommen des vermehrten Pistentourengehens hat man zudem das Tiroler Pistentourenmodell ,Sicher & Fair‘ in das Programm mitaufgenommen, überarbeitet und schließlich 2021 das ,Handbuch Pistentouren Tirol‘ erstellt“, erläutert Dieter Stöhr vom Land Tirol Gruppe Forst und Leiter des Programms. Der Schlüssel zum Erfolg des Programms ist die enge und konstruktive Zusammenarbeit des Landes Tirol, der Tirol Werbung, des Österreichischen Alpenvereins, der Landwirtschaftskammer, der Sparte Transport und Verkehr der Wirtschaftskammer Tirol, des Tiroler Jägerverbands und der Bergrettung Tirol.

 

Tiroler Pistentourenmodell „Sicher & Fair“

Die Seilbahnwirtschaft heißt grundsätzlich alle Wintersportler gleichermaßen auf ihren Anlagen willkommen. Alle Nutzer müssen sich jedoch an bestimmte Regeln halten. Das Tiroler Pistentourenmodell „Sicher & Fair“ beruht auf dem Gebot des gegenseitigen Respekts und der Fairness, damit der Sport konfliktfrei und gefahrenlos ausgeübt werden kann. Es umfasst im Wesentlichen drei Hauptsäulen: 

 

Die erste umfasst 10 Pistentourenregeln als Verhaltenskodex. Im Winter 2020/21 wurden mehrere kurze Videoclips produziert, welche die Empfehlungen für Pistentouren auf moderne und humoristische Weise verdeutlichen. Die Clips erzielten bis dato bereits über eine Million Zugriffe. 

 

Die zweite Säule ist die Beschilderung von Pistentourenrouten. Ein klares Leitsystem, das die optimale und sicherste Aufstiegsspur im Gelände markiert, ist ein wesentlicher Beitrag zur Entflechtung von aufsteigenden SkitourengeherInnen und abfahrenden SkifahrerInnen. Die Ausarbeitung der Aufstiegsrouten und die Beschilderungsmaßnahmen werden im Rahmen des Programms „Bergwelt Tirol – Miteinander erleben“ vom Land Tirol gefördert. In der Saison 2021/22 setzten bereits 13 Skigebiete mit insgesamt 35 Aufstiegsrouten auf dieses System: Axamer Lizum, Glungezer, Hochfügen, Hochzeiger, Innsbruck-Patscherkofel, Kitzbühel-Bichlalm, Kitzbühel-Gaisberg, Kitzbühel-Resterkogel, Kitzbühel-Schwarzkogel, Pillersee-Buchensteinwand, Pitztaler Gletscher, Seefeld-Rosshütte, Serfaus-Fiss-Ladis und St. Johann in Tirol.

 

Als dritte Maßnahme haben sich viele Skigebiete dazu entschlossen Pistentourenabende anzubieten, an denen für eine sichere Sportausübung die Pistenpräparierung erst später erfolgt. Eine aktuelle Liste der Tourenabende wird von der Sportabteilung des Landes publiziert.

 

NEU: Schutzzonen online und in den Apps „alpenvereinaktiv“ und „Outdooractive“ ersichtlich

Wald- und Wildschutzzonen werden im Rahmen des Programms „Bergwelt Tirol – Miteinander erleben“ in regionalen Arbeitskreisen ausgehandelt. „Beim Skitourengehen sind es vier große ,Schutzgüter‘, die von den Belastungen betroffen sind“, führt Michael Larcher, Leiter der Abteilung Bergsport beim Österreichischen Alpenverein, aus. Betroffen sind laut Larcher Birk- und Auerhuhn, Rotwild, Steinbock und Gams und der Objektschutzwald. „Die Tierarten schrauben im Winter aufgrund der Nahrungsknappheit ihren Energiehaushalt drastisch zurück. Ein Aufscheuchen dieser Tiere durch SkitourengeherInnen oder FreeriderInnen hat oft fatale Folgen. Durch Skikanten verletzter Jungwald kann die Schutzwirkung eines Gebietes stark verzögern oder beeinträchtigen“, so der Experte. Die Schutzzonen gelten nur in der Wintersaison vom 01.12. bis 15.04. Bislang wurden SportlerInnen mittels Infoschildern und beschilderten Skitourenschneisen informiert. Seit heuer sind die Zonen auch online und in den beiden Tourenplanungs-Apps ,alpenvereinaktiv‘ und ,Outdooractive‘ ersichtlich. „Somit haben TourengeherInnen bereits bei der Tourengestaltung zu Hause die Möglichkeit Schutzzonen zu berücksichtigen und eine Umgehung dieser einzuplanen“, Larcher abschließend.

 

Lebensraum Tirol Holding / ProMedia